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Keine Villa und kein Weg

Diana Müller
Diana Müller
Kürzlich im Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter einer Grundschule in Böblingen: »Was denken Sie, wie viele Eltern die Vermittlung von Bildung ganz alleine der Schule überlassen? Wenn die Kinder nachmittags aus der Ganztagsschule heimkommen«, so der erfahrene Pädagoge, »werden sie auf die Straße geschickt. Egal, ob eine Klassenarbeit ansteht oder ob die Hausaufgaben erledigt sind. Viele Eltern fühlen sich hierfür überhaupt nicht verantwortlich.«

Diese Kinder haben es schwer. Weil niemand auffängt, was sie im Unterricht in einer Klasse mit 28 Mitschülerinnen und Mitschülern verpasst haben. Weil keiner Zeit hat, noch einmal einen Blick auf die Hausaufgaben zu werfen und zu schauen, ob sie tatsächlich erledigt sind und ob sie richtig gelöst wurden. Weil es im Stoff weitergeht, ohne dass die Kinder grundlegende Dinge verstanden haben.

Das Defizit zieht sich durch. Viele Eltern sind aufgrund ihrer Sprachschwierigkeiten schon früh gar nicht mehr in der Lage, die Aufgaben zu verstehen und ihren Kindern zu helfen. Anderen mangelt es an der richtigen Einstellung. So wie neulich, beim Elternabend an einer Leonberger Realschule: Von 26 Eltern erscheinen zwei. Obwohl die Abschlussprüfungen anstehen und es wichtige Informationen dazu gibt. Am nächsten Tag entschuldigen sich die Kinder für ihre Eltern: »Meine Mutter musste bis 22 Uhr arbeiten.« »Mein Vater hatte Nachtschicht.« Wie werden die Abschlussprüfungen dieser Kinder wohl laufen?

Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler aus Köln, hat erst jetzt wieder betont, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland erneut stark zugenommen hat. »Heute hängt mehr denn je davon ab, in welche Familie jemand hineingeboren wird«, ist er überzeugt: »Wo eine Villa ist, da ist ein Weg.«

Die wenigsten Kinder in Böblingen oder Leonberg leben in einer Villa. Viele Familien haben einen Migrationshintergrund und nicht nur diese müssen Tag für Tag schauen, wie sie über die Runden kommen. Oft arbeiten beide Eltern in mehreren Jobs, um den Alltag finanziell zu bewältigen. Ist es angemessen, diese Familien als »sozial schwach« zu bezeichnen? »Nein«, findet Christoph Butterwegge, der in Deutschland eine Schieflage beim Sprechen über Arme und Reiche sieht. »Ich erlebe bei diesen Menschen viel Stärke. Sie sind vielleicht einkommensschwach, aber nicht sozial schwach.« [...]
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