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archivierte Ausgabe 19/2024
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Zartes Pflänzchen |
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Reiner Schlotthauer |
Der Blick aufs Titelbild weckt, was in einem lange geschlummert hat: nämlich das Wissen darüber, vielleicht auch, je nach Jahren, die eigene Erfahrung, dass das Leben wie ein zartes Pflänzchen ist. Dass es viele Möglichkeiten zum Wachsen und Gedeihen besitzt, als ob es ein Wunder wäre – es aber auch, wie sonst alles Lebendige, sehr verletztlich ist. Manchmal sind es nur Bruchteile einer Sekunde, in denen sich das Blatt wenden kann, und alles ist ganz anders im Leben.
Also lohnt es sich, das einzigartige Leben auf dem Heimatplaneten zu schützen: von dem Klima, der Pflanze und dem Tier bis zum Menschen in all seinen Phasen, so schwach und zartbesaitet es auch sein mag. Irgendwas, irgendwer tief drinnen teilt einem das mit. Wer das noch nie gespürt haben sollte, hat womöglich ein Herz aus Stein: auch weil er wohl selbst noch nie geliebt worden ist. Liegt es an dieser allgemein nachlassenden Liebe und Wärme, dem Beziehungsmangel seit frühem Kindesalter, dass die Leute zusehends das Vertrauen verlernen? Und liegt es nicht auch, um noch eine unbequeme Frage draufzusetzen, an der um sich greifenden Glaubensferne, dass immer mehr Menschen erst den Halt und dann den Mut verlieren?
Schon interessant, wie viel Armseligkeit, Angespanntheit und Frust in solch einem vor Geld strotzenden Land existieren. Und dass trotz der Glücksformeln und Sonderangebote die Wartezimmer der Psychiater schier überlaufen. Angesichts der inneren und äußeren Krisen des kleinen Ichs und der großen Welt bleiben die Fragen die alten: Was sind wir eigentlich, woher kommen wir, was macht uns aus? Haben wir Wurzeln, und wenn nicht, wer hat sie ausgerissen? Sind wir selbst schuld und wenn nicht, wer dann? Und wohin wollen wir noch gehen? Wird der Weg in die Zukunft unter diesen Umständen ein guter sein?
Und weiter: Wer interessiert sich noch für mich? Aber wenn ich ehrlich bin: Für wen interessiere ich mich überhaupt? Bin ich in der Lage, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen? Wie ist es aber um die Gesundheit einer Gesellschaft bestellt, in der sich immer mehr Menschen, immer mehr Gruppen voneinander abkapseln? Kann es nicht sein, dass Hoffnung, Mut und Begeisterung in Krisenzeiten davon abhängen, ob es ein größeres Wir-Gefühl gibt, einen Sinn fürs gemeinsame Wohl? Was ist es aber, was die Menschen zu mehr Gemeinschaft anspornt? Inzwischen ist von einer neuen Sehnsucht zu hören. [...]
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