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Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Katholiken müssen ja nicht unbedingt den Klimaaktivisten nacheifern. Mancher Eifer könnte auch zu eifernd sein. Aber ein bisschen mehr Pfeffer in dem Körperteil, auf dem sie gewöhnlich sitzen, um über Kirchenstrukturen zu brüten, wäre schon hilfreich. »Kehrt um, denn das Gottesreich ist nahe.« Jesu Ruf und der der alttestamentlichen Propheten ist kaum mehr zu hören. Aber wer kann uns das Gottesreich erklären und darauf Appetit machen?

Stattdessen gibt man sich oft Illusionen hin. Statt mit christlicher Begeisterung anzustecken, drehen und winden sich viele in selbstzerstörerischen Gedanken. Obwohl doch ausgerechet ihr Glaube ihnen selbst und sogar den anderen, selbst wenn sie ganz anders sind, das Leben leicht machen müsste: »Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.« Jesus hat den Menschen, besonders den Gebrochenen, sozial wie gesundheitlich nicht Wohlgeratenen keine Hürden errichtet. Was machen seine Anhänger heute daraus? Nachdem ihre Moral gesellschaftlich kaum mehr Chancen hat, beharken sie sich halt gegenseitig. »Schaut, wie sie einander lieben.« Solch Ironie.

Die Kirche selbst ist aber in ihrer Geschichte zu keiner Zeit an ihrem perfekten Ende angelangt. Dass sie am eschatologischen Ziel angekommen wäre, das sollte erst jemand beweisen. Bis dahin muss in ihr nicht unbedingt Einigkeit herrschen. Vielmehr käme es darauf an, eins zu sein in Gott. Versteht das noch wer? Das würde von viel Streit, aber auch Seelenballast befreien – und den Blick öffnen für die wirklich Notleidenden in der Welt. Auch für die hier im Land, die durch das Anspruchsdenken derer, denen es noch gut geht oder die in Luxus schwelgen, in den Hintergrund geraten. Während sich das Verhältnis zur Leistung, ursprünglich kein negativ besetztes Wort, zu drehen beginnt.

Lohnt sich die überhaupt noch? Die einen können mit Lohn und Rente kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten. Erst müssen die Kinder auf Bildung verzichten, später droht die Pflege unmenschlich zu werden. Die anderen wieder wollen gar nichts mehr leisten, weil sie ihr Vermögen erben. Und die angeblich breite Mitte sorgt sich zunehmend, dass die strengen Klimaauflagen, aber auch der fast schon missionarische Umbau der Gesellschaft mitsamt der sonstigen ethischen Vorstellungen sie zu Verlierern machen könnte. Kein Problem, heißt es dann, wir entlasten euch aus unserem Milliarden-Füllhorn. Aber nicht jeder fühlt sich wohl, wenn er zum staatlichen Leistungsbezieher abgestempelt wird. Kann es sein, dass der innere Zusammenhang von Arbeit und Würde in Vergessenheit gerät? [...]
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