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Der Wunsch

Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Was fehlt den Deutschen eigentlich, was wollen sie wirklich? Nun gut, weitere Erfolge ihrer Nationalmannschaft wären schon nicht schlecht. Und dann vielleicht ein Sieg im Endspiel gegen die Niederlande, Argentinien oder doch Brasilien? Egal wie, diesmal muss die Trophäe endlich her, ob mit reiner Ballkunst oder auch vermischt mit deutschen Tugenden. Dann wird es rauschende Feste geben. Die Menschen werden sich umarmen, ob beim sogenannten Public Viewing im Stadtpark oder halt traditionell zu Hause vor dem Fernsehen im Familienkreis.

So viel Gemeinschaft war noch nie, so viel Verwandlung gestresster Stimmung in Fröhlichkeit und Freiheit hat man selten gesehen. Wie an Feiertagen kommen sich manche vor, der Weihnachtsschmuck ist von schwarzrotgoldenen Girlanden abgelöst worden, der Glückwunsch zum Geburtstag vom Viel-Spaß-Wunsch fürs kommende Achtelfinalspiel. Sogar die Autofahrer scheinen ausgeglichener, zumindest jene, die einen Nationalwimpel flatternd zur Schau tragen. Statt zu hupen, verzichten sie auf die Vorfahrt. So viel Rücksicht war ebenfalls schon lange nicht mehr. Allein deswegen wäre es gut, wenn Jogis Jungs einen Siegeszug starten könnten. Sogar die Bundeskanzlerin wirkt ganz anders. Darf man »gütiger« sagen? Oder vielleicht sogar »befreit«? Auf jeden Fall: Statt wie bei der ernsten Neujahrsrede das Volk zu noch mehr Fleiß anzuspornen – schon wieder deutsche Tugenden ... –, gönnt sie diesem scheinbar jetzt eine Verschnaufpause von hoffentlich vier Wochen. [...]
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