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archivierte Ausgabe 26/2022
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Weitergehen |
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Reiner Schlotthauer |
Wie wird es weitergehen? Das ist jetzt die meist gehörte Frage. Typisch für eine Zeit, die von Umbrüchen und nicht absehbaren Entwicklungen gezeichnet ist. Und daher noch nicht alle Antworten parat hat. Das heute sicher Geglaubte könnte sich morgen früh in Luft aufgelöst haben. Niemand ist ausgeschlossen, weder Privathaushalt, Wirtschaft oder Staat. Daher auch keine der vielen Institutionen, nicht einmal die Kirche.
Ja, die Kirche: Ausgerechnet in diesen Zeiten, da es gilt, Schritt zu halten und ihrem Auftrag gemäß dem Menschen nahe zu sein, wird sie von unnötigen Krisen gebeutelt. Oft reagiert sie nur noch, statt zu agieren. Und kann sich selten um die im Gegenteil wachsende Distanz kümmern. Kaum schlägt der Leser die Zeitung auf, liest er wieder von Missbrauch. Hier wird ein Pfarrer verurteilt, dort soll sich ein beliebter Priesterausbilder das Leben genommen haben (vgl. KS 25), weil ihm »übergriffiges Verhalten« vorgeworfen war. Selbst für messerscharfe Kritiker lässt es sich nicht leugnen, dass schlimme, aber auch bedauernswerte Tragik zu erkennen ist. Und jetzt das Gutachten der Diözese Münster. Und die Verantwortlichen ganz oben? Mancher Nutznießer eines Systems, das fälschlicherweise als überaus perfekt angesehen wurde und mit viel gar Menschlichem – auch der Macht und der Gier – überhöht wurde, fällt nun abgrundtief. Im Theater würde man »Tragödie« sagen.
Hat sich also die Kirche viel zu lange inszeniert? Hat sie vielleicht ihr ursprüngliches Drehbuch, das Evangelium, dramatisch verfälscht, gar genauso missbraucht? Hoffentlich ist nun der Höhepunkt überschritten und die berühmte Katharsis, die Reinigung, kann kommen. So hört man seufzen. Bis das nächste Gutachten in einer anderen Dözese schockt. Also wieder: Wie kann es weitergehen? Vielleicht ließe sich ein weiterer Schritt tun, auch über das bisher Gesagte hinaus, wenn man sich einmal über die theologische Tiefendimension des Abgrunds klarer sein würde. Abermals fällt etwa auf, dass Oberhirten des sexuellen Missbrauchs Bezichtigte nach der Beichte wieder in den Dienst mit jungen Menschen gestellt oder befördert haben. Ist dies nicht naiv, kopfloser Verantwortung gleich? [...]
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