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Sommer mit Sinn

Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Heute noch zu behaupten, es gebe ein Sommerloch, gliche einem Mythos. Oder gar, nicht nur ironisch, einem Verschwörungsmythos, dessen Vertreter die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Denn die Weltlage bleibt ernst: In der Ukraine sterben Menschen, jeden Tag. China zeigt sein wahres Gesicht. In Afrika hungern wieder mehr Menschen, während wir zu Lidl Lebensmittel horten gehen. Aber auch in Deutschland droht die Kluft zwischen Reich und Arm größer zu werden, die Mittelschicht kriegt es mit der Angst zu tun. Klimawandel, Energieknappheit und die Unsicherheiten, welche die zig »Wenden« mit sich bringen, provozieren eine lange nicht mehr gehörte Frage: Welchen Sinn hat das alles?

Das Sommerloch wird so schnell nicht mehr zurückkehren, ade. Wie viele Selbstverständlichkeiten, auch die Langeweile als Lebensgefühl der Verwöhnten. Vielleicht lässt sich diese Zeit sinnvoll nutzen, um darüber nachzudenken, welche Rolle die Christen in diesem Land künftig spielen werden. Und ihre Institution. Zuallererst aber ihre Botschaft. Und da wieder die von der Nächstenliebe. Sie nämlich ist es, die eine inzwischen zu allen Jahreszeiten klaffende Lücke schließen könnte: Die eigentlich, fast vergessen, eine Zivilisation geprägt hat und sie immer noch entscheidend prägen könnte. Selten war das derart zu spüren wie in diesen Tagen, da so viele Fragen offen sind und nach Antworten lechzen. Wie ein Dürstender bei 32 Grad im Redaktionsbüro.

Aber wie kann die Kirche dieses verlorene Terrain zurückgewinnen und sich den Menschen vorbehaltlos nähern? Wie gehört werden, wenn das Leben ringsherum missachtet wird? Sicher nicht mit nostalgischen Anflügen, wonach doch einst alles besser gewesen sei, im vertrauten katholischen Milieu, wo etwa zu Fronleichnam noch überall stolz die Fahnen wehten. Die große Zeit etwa der Verbände – halt so wie man sie kannte – ist vorbei. Gott sei es geklagt. Selbst die Gemeinden, unterfüttert mit wunderbaren theologischen Konzepten, scheinen anders als in den 60ern und 70ern kein Erfolgsmodell mehr zu sein. Zumindest wenn man nur auf den Gottesdienstbesuch schaut. Wie die Kirche in ihrer überkommenen Gestalt selbst. Die Gründe sind bekannt, die Krisen auch, werden sie doch häufiger heruntergebetet als das Vaterunser. Grau geworden sind die Babyboomer über den immer gleichen, meist unerfüllten kirchenpolitischen Debatten. [...]
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