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Am Thermostat

Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Auch wenn man es glatt übersieht, wegen all der Krisen: Nicht nur die Welt wandelt sich, sondern auch ihre Symbole. Diese oft selbst von Christen unterschätzte Quelle wird nie versiegen, solange es Menschen gibt und sie nach dem zusätzlichem Sinn ihres Handelns und Redens suchen. So wird jetzt vielleicht sogar der Griff zum Heizkörper, das Drehen am Thermostat zu einem Zeichen, einem Ritual gar, das noch mehr auszusagen hat als bloß die Temperatur oder den Willen zum Sparen. Vor allem dann, wenn auch noch die dabei gesprochenen Worte hellhörig machen: »Wir haben Hoffnung auf einen milden Winter.«

Hoffnung? Sie hat also ihren Platz sogar am Heizkörper. Sinnbild dafür, dass diese an jedem Ort entstehen kann. Für den mit Gespür Ausgestatteten wird dieses Wort sogar noch mehr Bedeutung gewinnen, ja Motivation erzeugen: zu überlegen, was sonst noch diese Hoffnung ausmacht, die seines Lebens überhaupt, und nicht nur die auf einen milden Winter. Denn diese besondere Zuversicht, die auf Sinn abzielt, scheint am Ende der wichtigste Treibstoff zu sein und den Menschen vom Tier zu unterscheiden Wenn es darum geht, zu Hause und im Büro Energie einzusparen, wird er daher nun vielleicht überlegen, wie es um die geistige Energie bestellt ist. Ohne sie stünden Eltern, Manager und Politiker ziemlich unvorbereitet vor den gewaltigen Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft.

So fühlt sich wohl der eine oder andere neu erinnert, dass es trotz des Ernstes der wirtschaftlichen Lage nicht nur jene Wärme braucht, die sich physikalisch messen lässt, sondern auch die, die sich – schönes Wort – Herzenswärme nennt. Dafür gibt es kein Messgerät im Baumarkt, dafür aber das menschliche Gegenüber, dessen Reaktion und Ausstrahlung. Kann es sein, dass die Nachricht, wonach nun die Gasspeicher gefüllt sind, einen darauf bringt, nach den eigenen, inneren Speichern zu fragen? Wie erfüllt ist meine Seele? Und wovon? Die Welt ist voller Mehrwert, eine Eigenschaft, die schon immer der Schöpfung eingepflanzt ist. Und die es nur anzuzapfen gilt, einer unerschöpflichen Energie gleich. Steckt vielleicht Gott dahinter, Generator im und hinterm Universum?

Jedenfalls scheint der Mensch auf wundersame Weise damit ausgestattet. Deswegen hat er die Möglichkeit, sich immer wieder zu befreien, von der Fixierung auf sein eigenes Ich, von der Mode, in Wahrheit aber dem Druck, ständig aus der Masse herausstechen zu müssen. Hin zu mehr Sinn für Beziehung, Gemeinschaft und Gemeinwohl. Schließlich dazu, hinter all seinem Planen und Wirtschaften zu erkennen, dass die Lebensrechnung nur dann aufgeht, wenn er auch Zuversicht besitzt. [...]
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