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Wieder so ein Wort

Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Da hört der Nachrichtenhörer, sofern er ein Ohr für Zwischentöne hat, gleich genauer hin. Und lässt die Wörter länger wirken: Wenn etwa der Gesundheitsminister seit dem Beginn der Pandemie, fast schon einem Propheten gleich, voraussagt, dass viele Bürger eines Tages, wenn hoffentlich das Unheil vorbei sein wird, sich gegenseitig verzeihen müssen. Verzeihen, vergeben? Wörter, die man sonst locker dahersagt, die sich aber jetzt erst wieder besser begreifen lassen und wieder zu echten Begriffen werden.

Mit tiefgehender Bedeutung versehen, ein Elixier, das uns mutmaßlich abhanden gekommen ist. Die vergangenen Monate und die noch vor uns liegenden bringen viel zum Vorschein, auch das. Warum können sich die Menschen heute so selten vergeben, warum sind sie so nachtragend, verbeißen sich geradezu in das, was sie sich als Schuld der anderen einbilden und sich am liebsten nach dem nächsten Stein bücken würden? Ist die Gesellschaft so moralisierend geworden, eigentlich unerbittlich, weil sie selbst an Moral, in mehrfacher Bedeutung des Wortes, verloren hat? Aber auch, weil die Christen, die manchen Begriff zusätzlich aufladen können, ihn mit einem Symbol verbinden und sogar zum Sakrament und damit zum Tor einer Gottesbeziehung machen – vielleicht hierin immer mehr versagen? Weil sie selbst nicht mehr an Gottes Vergebung glauben? Nicht einmal mehr an ihren Grund? Und weil sie darüber schlichtweg kleinlaut geworden sind, nicht einmal mehr sprachkompetent, geschweige denn immer begreifen, was sie in ihrer Verkündigung sagen. Und das, obwohl sie sich auf dem Markt der digitalen Kommunikation tummeln. Dabei aber die Dreifaltigkeit, quasi in 22 Buchstaben zerstückelt und durcheinandergewirbelt, im Äther verschwinden lassen. [...]
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