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Katholische Relativitätstheorie

Reiner Schlotthauer
Reiner Schlotthauer
Fast ist es in der Religion, die ja zur Metaphysik gehört, wie in der Physik selbst. Dies erkennt, wer die pure Geschwindigkeit der Entwicklungen der Kirche zu messen beginnt, als ob sie ein Auto wäre, das sich auf ein Ziel in die Zukunft hinbewegt. Schon gemerkt? Wer mittendrin sitzt, wie etwa in Rom, dem kommt sie relativ schnell, ja zu schnell vor. Wer aber die rollende Kirche aus der Ferne betrachtet, die zuletzt sogar zunahm, wird das Tempo als relativ langsam, als stockend wahrnehmen. Je nach Standpunkt ist halt manches relativ. Deswegen könnte man auch von einer katholischen Relativitätstheorie sprechen, die dieser Tage hilft, die Ereignisse besser zu verstehen.

Wenn auch unsere erste Bezugsgröße nicht Einstein und längst nicht mehr Kopernikus ist. Also lassen wir das Pendel zurück zur Metaphysik schwingen: bis zu Papst Franziskus, dem das Tempo, mit dem die Engagierten auf dem Synodalen Weg voranschreiten, gelinde gesagt, relativ unangenehm scheint. Und er sich daher jüngst heraus gefordert fühlte – hoffentlich nicht schlecht beraten –, die in Deutschland gemachten Erfahrungen als »wenig hilfreich« zu kritisieren. Hätte sein Herr Jesus die Erfahrungen derer in Galiläa und Judäa auch so genannt? Vielleicht wird er ja seine Aussagen wie so oft im Nachhinein noch relativieren, damit nicht Größeres relativiert wird, etwa die Nähe zu den Menschen. Und ob das Bestreben nach mehr demokratischer Mitbestimmung wirklich »elitär« ist, soll einmal dahingestellt sein, auch wenn mancher Kommentator sich auf die Zunge beißen muss, um dies nicht unter den Populismusverdacht zu stellen.

Zumindest braucht es die Realisten gar nicht zu wundern, dass der Papst unter »synodal« wohl etwas anderes versteht als Katholikinnen und Katholiken andernorts. Und dass er sich mit seiner Weltsynode wieder zum eigentlichen Herrn des Verfahrens machen will – offenbart er sich inzwischen doch nicht nur als charismatischer Führer, sondern als einer, der weiter streng hierarchisch denkt. Wird er wenigstens kleine Schritte wagen, übers bloße Zuhören hinaus? Mehr als das hiesige neue Arbeitsrecht? Wird die Kirche an Geschwindigkeit zulegen, um sich von autokratischem und monarchischem zu mehr demokratischem Denken zu bewegen, zu mehr Freiheit der Ortskirche? Zumindest würde dies, so die Erfahrung moderner Menschen, die Autorität künftiger Entscheidungen stärken. Nur ist schon wieder abzusehen, dass es den einen zu wenig sein wird, anderen viel zu viel, darunter immer deutlicher sehr konservative Kardinäle, die Franziskus das Leben schwer machen. [...]
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