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archivierte Ausgabe 27/2023
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Titelthema |
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PSALMEN FÜR HEUTE |
Atmen vor Gott mit Psalmen |
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Die alttestamentlichen Psalmen lassen den Menschen betend einatmen und ausatmen. Sie können bei der Bewältigung der unterschiedlichsten Lebenssituationen helfen. Foto: ana amorim fotografia/iStock; Montage: ks |
Womöglich ist der Psalm 23 »Der Herr ist mein Hirte« der bekannteste und am häufi gsten gebetete Psalm des ganzen Psalmenbuchs. Für viele Menschen ist er einer ihrer Lieblingstexte. Und sicher gilt für ihn in besonderer Weise, was Rainer Maria Rilke einmal in Bezug auf die Psalmen geschrieben hat: »Ich habe die Nacht einsam hingebracht in mancher inneren Abrechnung und habe schließlich (…) die Psalmen gelesen, eines der wenigen Bücher, in denen man sich restlos unterbringt, mag man noch so zerstreut und ungeordnet und angefochten sein.« Psalmen scheinen die Zeit zu überdauern, denn alle menschlichen Befindlichkeiten von Freude und Dankbarkeit über Trauer und Angst bis zu Wut und Zorn kommen darin zum Ausdruck. Was können uns Psalmen also heute noch sagen?
Offensichtlich ruft das Bild des Hirten in Psalm 23 auch heute noch, wo die meisten von uns nicht mehr mit Schafen oder Ziegen unterwegs sind, positive Gefühle des Schutzes und der Geborgenheit hervor. Die »finstere Schlucht« ist uns zumindest psychologisch vertraut. Und auch was ein gedeckter Tisch und ein gefüllter Becher sind, wissen wir immer noch.
Es kann gut sein, dass für die ursprünglichen Beter beim »Hirten« das Bild eines guten Königs im Blick war. Versteht man Gott als den König, der in seinem Tempel (»im Haus des Herrn«) die Gläubigen nach einer Wallfahrt großzügig empfing, ahnt man vielleicht, wie offen diese Psalmensprache seit je war und was ihre eigentliche Faszination ausmacht. Und wir Christen können heute fast nicht anders, als beim »guten Hirten« an Christus zu denken, der »die Seinen kennt« und der »sein Leben für die Schafe gegeben hat« (Joh 10,11.14).
Aber man muss kein Christ sein, um mit den Psalmen etwas anfangen zu können. So schrieb der tschechische Marxist Milan Machovec in seinem nach wie vor lesenswerten Büchlein »Jesus für Atheisten« einmal über die Psalmen: »Einzigartig werden (…) in den Psalmen (…) elementare Lebenssituationen ausgedrückt: die Situation des Kampfes und des Scheiterns, der hoffnungslosen Depressionen und ihrer Überwindung durch neue Hoffnung; die Verletzung durch die Schmerzen des Lebens, durch den Verrat durch die Freunde und der neue Glaube an den Menschen; die Nähe des Todes oder der Gefahr und die Mobilisierung innerer Kräfte dagegen; die Scham und die Not des täglichen Lebens und das ›Aufschauen zu den Bergen, von denen mir Hilfe kommt‹ (Ps 121,1). Vom Christentum übernommen und verbreitet haben die Psalmen der Menschheit für Jahrtausende Modelle des Erlebens und der Bewältigung elementarer menschlicher Situationen geliefert (…) diese Modelle geben keine Garantie, dass die Bewältigung dem Einzelnen gelingt. Aber vertraut mit ihnen zu leben, gibt dem Menschen eine gewisse Stütze, um in den Bedrängnissen des Lebens mit seinem ›Ich‹ nicht unterzugehen.«
Faszination und Lebenskraft der Psalmen kommen also offensichtlich daher, dass sie die ganze Fülle menschlichen Lebens und menschlicher Lebenserfahrung zur Sprache bringen, und dies in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Polarität. Das Leben ist nämlich: licht und dunkel, bedrohlich und beglückend, einsichtig und unverständlich, bedrängend und befreiend. [...]
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