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archivierte Ausgabe 48/2020
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Titelthema |
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Verwundbar sein – eine Kostbarkeit |
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Verwundbar und schützenswert: Ein neugeborenes Kind zeigt, wie verletzlich und kostbar menschliches Leben sein kann. Gott selbst hat sich dieser Verwundbarkeit in unserer Welt ausgesetzt durch seine Menschwerdung.
Foto: Tahir/YILDIZ/iStock |
»Vulnerable Gruppen« – wie oft diese Worte im Jahr 2020 wohl gefallen sind? Vulnerabilität – Verwundbarkeit – war vor kurzem noch ein unbekannter Zungenbrecher. Aber dann kam die Corona-Pandemie, und allerorten zeigte sich die Notwendigkeit, über Verwundbarkeit zu sprechen. »Das ist, was eine Epidemie uns zeigt: wie verwundbar wir alle sind, wie abhängig von dem rücksichtsvollen Verhalten anderer, aber damit eben auch, wie wir durch gemeinsames Handeln uns schützen und gegenseitig stärken können«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache zur Corona-Pandemie am 18. März. Der Münchner Soziologe Stephan Lessenich bemerkte leicht ironisch, dass Vulnerabilität ein »heißer Kandidat auf das Fremdwort des Jahres« sei. Verwundbarkeit zeigt sich jedoch nicht nur, wenn ein Virus die Menschheit bedroht. Wir alle tragen unsere Wunden, und Gott hat sich mit der Menschwerdung seines Sohnes diesem Verwundetwerden ausgesetzt. Also ein weihnachtliches Thema?
In den Wissenschaften war der Fachbegriff schon länger verwurzelt. Medizin und Psychologie wollen wissen, wie verwundbar bestimmte Menschen gegenüber Krankheiten sind, um sie besser vor einem Ausbruch zu schützen. Die Armutsforschung interessiert, wie sich sozial erzeugte Vulnerabilität im Blick auf Armut, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe auswirkt. Die Ökologie fragt nach der Vulnerabilität von Arten und Ökosystemen gegenüber dem Klimawandel. Die Informatik bezeichnet damit die Sicherheitslücken von Computersystemen, und die Ingenieurwissenschaften wollen Gebäude weniger vulnerabel machen, damit sie bei Erdbeben nicht zusammenbrechen. Die Politikwissenschaft stellt der Vulnerabilität den Begriff »Vulneranz« zur Seite, die »Verletzungsfähigkeit«, denn jeder Staat muss auch wissen, wo er andere Personen, Institutionen, Staaten verletzen kann. [...]
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