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archivierte Ausgabe 50/2022
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Titelthema |
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Kraft der Liturgie |
Feiern mit Sinn und Sinnlichkeit |
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Ein Licht in dunkler Zeit, entzündet in der Kirche. Gerade die Kleinen sprechen auf sinnliche Erfahrungen an, über die sie staunen dürfen. Foto: KNA |
Es ist nicht zu übersehen: Das äußere Erscheinungsbild und die innere Stimmung unserer Gottesdienste haben sich nachhaltig verändert. Bereits im Juli 2020 stellte der Leipziger Theologe Alexander Deeg fest, dass die Forderung beziehungsweise die Sehnsucht nach einer möglichst schnellen Rückkehr zur »Normalität« nach Corona an den radikal veränderten Realitäten vorbeigehe: »Es wird nicht mehr sein wie vorher.« Die Krise zeigt, wie es um unsere Feierkultur schon seit Langem bestellt ist. Die Corona-Pandemie lässt sich dabei als Katalysator oder Beschleuniger begreifen, der lange bestehende, aber nicht erkannte oder ignorierte Probleme in der liturgischen Praxis sichtbar macht. Dass dies jedoch kein Anlass zu Resignation ist, sondern zum Umdenken, zur Neubesinnung und Weiterentwicklung, zeigt der Freiburger Liturgiewissenschaftler Stephan Wahle.
Herausgefordert durch die zeitweise völlige Aufgabe von Präsenzgottesdiensten im ersten Lockdown, sind an vielen Orten kreativ und vital neue gottesdienstliche Formate im digitalen wie im analogen Raum, im öffentlichen wie im häuslichen Umfeld entstanden. Andernorts erscheint dagegen die Gottesdienstpraxis wie gelähmt, ohne Aussagekraft, emotionslos und leer. Zwischen diesen beiden Polen gibt es auch Gemeinden, die scheinbar unbeirrt von den äußeren Kontexten in »unaufgeregter« Weise Gottesdienst und Stundengebet weiterfeiern, so etwa in Klöstern und geistlichen Zentren.
Grundsätzlich kommt dem christlichen Gottesdienst der Anspruch zu, ein soziales und gemeinschaftsstiftendes Phänomen zu sein. Er lebt von körperlich-sinnlicher Präsenz und realer physischer Zusammenkunft. Dagegen steht allerdings der Befund, dass sich im gesellschaftlichen Miteinander eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit Nähe und Körperkontakt eingenistet hat. Bezogen auf den Gottesdienst äußert sich dies in einer Minimalisierung der Ästhetik, in einer Reduzierung der liturgischen Dienste und in einem latenten Verlust der Sinnlichkeit.
Es stellen sich die Fragen: Wann wird man wieder direkt neben einem Unbekannten in der Bank Platz nehmen wollen, um ganz nah beieinander und miteinander zu beten und zu singen? Wann wird man seinem Gegenüber ungezwungen und ohne zu zögern die Hand zum (Friedens) Gruß reichen? Oder gar den gemeinsamen Kelch zur Kommunion? Wird – trotz Desinfektionsmittel – eine größere Zurückhaltung bei allen Riten und Zeichenhandlungen bleiben, bei denen im wahrsten Sinne des Wortes die Hand mit im Spiel ist, angefangen beim Kreuzzeichen auf die Stirn eines Täuflings über die diversen Salbungen bei Taufe, Firmung, Weihe und Krankensalbung bis hin zu vielfältigen Formen der Handauflegung und Segnung?
Nahezu alle Sakramente und Sakramentalien entfalten bekanntlich ihre heilsame Symbolkraft durch personale Berührungen. Dies zeigt der enorme Zuspruch zu Segensfeiern mit diversen taktilen Gesten. Wie aber könnte es anders sein? Wie könnte der Gottesdienst zu einer geistlich fruchtbaren Erfahrung werden? Dazu zwei kleine Beispiele.
Erster Weihnachtstag, 18 Uhr: Eine Gemeinde im Hochschwarzwald hat sich zum Abendgottesdienst versammelt. Der Kirchenraum ist dunkel, nur der Schein der Kerzen der Christbäume und an der Krippe gibt so viel Licht, dass jeder im Antlitz des anderen seinen Nächsten erkennen kann. Andächtige Stille lässt den Raum in einer dichten, heimelig-heiligen Atmosphäre erleben. [...]
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