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Titelthema
ALTERSARMUT

Werden wir einmal arm im Alter?

Werden wir einmal arm im Alter?
Altersarmut trifft Frauen in besonderer Weise. Wenn sie dann noch Kinder haben und allein erziehend sind, sind die Schwierigkeiten in der Rente vorprogrammiert. Ein Migrationshintergrund oder Lücken in der Erwerbsbiografie verschärfen die Situation noch einmal zusätzlich.
Foto: jacoblund/iStock
Der Ruhestand rückt näher, doch unter die Vorfreude über die bevorstehende Unabhängigkeit und neue Gestaltungsspielräume mischt sich bei immer mehr Menschen die Sorge um ihre fi nanzielle Absicherung. Reicht die Rente aus, um ein gutes Leben zu führen? Was, wenn eine Betreuung im Pfl egeheim nötig wird? Wer in seinem Leben lange und hart gearbeitet hat, sogar die, die vorgesorgt haben, sind dadurch im Alter nicht mehr automatisch abgesichert. Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die Hilfen in Anspruch nehmen müssen, weil ihr Geld nicht zum Leben reicht – viele andere gehen über ihre Grenzen hinaus, um ohne Unterstützung auszukommen. Denn Armut im Alter ist ein Tabu.

Im Sommer bin ich manchmal leichtsinnig und gönne mir eine Kugel Eis«, sagt Antje Fritzsche. Doch eigentlich ist dieser Euro für die 64-Jährige nicht drin. »Ich liebe Schwimmen«, erzählt die Frau mit den langen grauen Haaren, »aber ich war schon lange nicht mehr im Hallenbad: zu teuer.« 900 Euro stehen Antje Fritzsche, die eine Teilerwerbsunfähigkeitsrente erhält, monatlich zur Verfügung. Abzüglich aller Kosten bleiben ihr für Lebensmittel, Kleider oder Eintrittskarten monatlich 50 Euro. »Zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig«, bringt es die siebenfache Mutter aus dem Raum Ellwangen auf den Punkt.

»Als ich noch als Servicekraft gearbeitet habe, habe ich manchmal ein Kleidungsstück oder Spielzeug gekauft, obwohl ich das gar nicht gebraucht habe. Ich wusste aber, dass ich mir das in der Rente nicht mehr leisten kann«, erklärt sie. Antje Fritzsche stammt aus der ehemaligen DDR, war zweimal verheiratet, ist geschieden und war alleinerziehend. Um sich und ihre Kinder versorgen zu können, musste die gelernte Köchin ihren Mindestlohn von 7,90 Euro mit Hartz IV aufstocken. Die 64-Jährige weiß, wie sie aus wenig viel machen kann und freut sich über kleine Dinge. »Bei uns war es immer knapp«, bemerkt sie, »ich hatte gar nicht die Möglichkeit, mir etwas zu schaffen.«

2018 ist Antje Fritzsche mental zusammengebrochen. An Arbeit ist nicht mehr zu denken. Seitdem hält sie sich mit Hilfe ihrer Kinder und ihrer Rente über Wasser.

Armut, eine psychische Erkrankung, Rückzug – diese Faktoren sind für Gabriele Stark, Leiterin der psychologischen Beratungsstelle Ruf und Rat und der katholischen Telefonseelsorge in Stuttgart, das »Bermuda-Dreieck« eines Abstiegs. Für die Psychologin hat Altersarmut mit Bildung zu tun: »Wenn wir dagegen vorgehen wollen, müssen wir früh ansetzen und gute Grundlagen schaffen. Doch wenn ich mir die Situation in den Kindergärten und Schulen anschaue, mache ich mir große Sorgen: Wir sägen an unserer Zukunft. Wir müssen dringend nachlegen – für Fachpersonal sorgen und Einrichtungen besser ausstatten.«

Gabriele Stark erlebt, dass die Menschen ihre Nöte heute offener ansprechen, dass aber auch ihre Wut größer geworden ist, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Dieses Gefühl hat Antje Fritzsche nicht: »Ich habe eher den Eindruck, dass unsere Politiker total lebensfremd sind.« Sie weiß aus Erfahrung, wie viel Mut es kostet, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen. Und wie gut es tut, wenn es Leute gibt, die in der Not für andere da sind. Denn Armut, das bedeutet auch bei Gabriele Starks Klienten nicht nur Geldsorgen, sondern mangelnde Teilhabe am Leben, Einsamkeit und damit einhergehende psychische Probleme. [...]
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