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Titelthema
Gottes bunte Kinder

Gott gibt keinen Menschen auf

Gott gibt keinen Menschen auf
»Und dann schaue ich heut’ in dein Angesicht, in der Liebe, die alles umfängt«: Das bekannte Kirchenlied beschreibt, wie wir Gott in unserem Nächsten begegnen können – obwohl oder gerade weil wir alle unterschiedlich sind.
Foto: Johnny Greig/iStock
Es war eine Überraschung für die katholische Welt, als Kardinal Manuel Fernández, der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, am 18. Dezember 2023 die Erklärung »Fiducia supplicans« veröffentlichte. Das Dokument, das unter bestimmten Bedingungen die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare für kirchlich erlaubt erklärt, sollte ein »Geschenk an das gläubige Volk Gottes« sein. Inzwischen gibt es in der Weltkirche viel Zustimmung zu dem Papier, aber noch mehr offene und verdeckte Ablehnung. Papst und Präfekt haben inzwischen mehrfach erklärende Hinweise nachgeschoben, um die Wogen zu glätten. Unsere Autorin, die 2023 vom Bischof beauftragte, diözesane Ansprechpartnerin für queere und insbesondere transgeschlechtliche Menschen war, fragt sich, wie es dazu kommen kann, dass ein Text, der die unbegrenzte Liebe Gottes preist, in der katholischen Kirche derartig polarisiert.

Wie kann eine Erklärung, die alle kirchlichen Amtsträger im Sinne dieses liebenden Gottes einlädt, ihre seelsorgerische Arbeit in Freiheit und Spontaneität auszuüben und dabei nahbar, achtsam und empathisch zu sein, dazu führen, dass in manchen Kreisen wieder einmal von einer Spaltung der Kirche die Rede ist? Betrachtet man die massiven weltweiten Proteste gegen »Fiducia supplicans« (FD) könnte man den Eindruck gewinnen, der Papst habe die katholische Ehelehre abgeschafft und stattdessen in der Kirche die »Ehe für alle« eingeführt. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Erklärung lässt nicht den geringsten Zweifel aufkommen, dass das lehramtliche Verständnis von Ehe und Familie weiterhin Gültigkeit besitzt, und zwar ohne Einschränkung (Ziffer 4). Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen trotz Segnung der Beteiligten als »irregulär« betrachtet werden. Dasselbe gilt übrigens auch für geschiedene und wiederverheiratete Paare, für unverheiratete Paare oder für Paare, in denen eine Person oder auch beide transgeschlechtlich sind. Für sie alle ist eine Segnung im liturgischen Kontext definitiv ausgeschlossen.

Aber Franziskus bleibt dabei nicht stehen. Wo die moralischen Vorbedingungen für eine sakramentale Eheschließung nicht gegeben sind, sollen die Betroffenen dennoch nicht ganz ohne Gottes Heilszusage bleiben. Salopp könnte man sagen, Franziskus ist klar, dass eine »große Lösung« ohne eine grundlegende Reform der kirchlichen Ehelehre nicht zu haben ist, also sucht und findet er eine »kleine Lösung«.

Der Papst ist skeptisch gegenüber einer moralisierenden Sakramentenpastoral. Er hält nichts von Verurteilungen und Drohungen. Ein solches Verhalten ist nicht geeignet, Menschen von der unendlichen Liebe Gottes zu überzeugen und für ein Leben aus christlichem Geist zu gewinnen. Die Erklärung FD zitiert ausführlich eine Katechese des Papstes, in der er schon früher die pastorale Bedeutung des Segens erklärt hat. Er betont: »Wir sind also für Gott wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können, denn Er ist Vater, Er ist Mutter, Er ist reine Liebe, Er hat uns für immer gesegnet. Und er wird nie aufhören, uns zu segnen.« Kurz gesagt, Gott gibt keinen Menschen auf. [...]
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