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Glaubensland
DAS INTERVIEW

»Als queerer Mensch ecke ich in der Kirche an«

»Als queerer Mensch ecke ich in der Kirche an«
Bei »Out in Church« haben viele katholische Menschen den Mut gefasst, sich öffentlich als queer zu outen. Hat sich in der Kirche seitdem etwas verändert?
Foto: KNA
In der Kirche muss sich etwas bewegen – das denkt der 24-jährige Julius Kreiser aus Tübingen. Kürzlich hat der Theologiestudent ein Erasmusjahr in Wien absolviert, später möchte er Pastoralreferent werden. Der gebürtige Ulmer wirkte bei »Out in Church« mit und setzt sich unter anderem für mehr Geschlechtervielfalt und Synodalität in der Kirche ein.

Herr Kreiser, viele Theologiestudierende sehen sich durch die Lerninhalte mit Anfragen an ihren persönlichen Glauben konfrontiert. Kennen Sie solche Situationen?

Ich hadere mehr mit der Kirche als mit dem Glauben. Aber ich denke, wenn man während des Theologiestudiums nicht mindestens einmal im Jahr eine Art »Kirchendepression« hat, studiert man es nicht richtig. Ich merke immer wieder, dass es schon ein frustrierendes System ist, in das wir uns da hineinbegeben. Zum Thema Glaube: Keine Glaubensbiografie kommt ohne Momente des Zweifelns und der Unsicherheit aus. Glaube und kritische Theologie müssen sich nicht widersprechen, sondern können einander sogar ergänzen. Die Theologie hat mir geholfen, Teile meines Glaubens besser zu verstehen, aber auch Fragen zu stellen. Es ist gefährlich zu sagen, dass eine kritische Theologie den Glauben herausfordert. Wenn das der Fall ist, weiß ich nicht, ob das dann tatsächlich Glaube ist oder einfach nur eine gewisse Frömmigkeit, in der sich jemand gerade wohlfühlt – und sobald die- oder derjenige mit historisch-kritischer Exegese konfrontiert wird, ist die Person irritiert.

Im Januar 2022 haben Sie sich im Rahmen von »Out in Church« zusammen mit 124 anderen als queer geoutet. Warum haben Sie sich entschlossen, Teil dieser Bewegung zu werden?

Freundinnen von mir, die auch teilgenommen haben, haben mich gefragt, ob ich mitmachen möchte und meinten: »Das wäre doch was für dich.« Für mich war das ein großer Schritt von diesem inneren Outing, bei dem ich selber festgestellt habe, dass ich nicht heterosexuell bin, bis hin zu dem Moment, in dem ich im öffentlichen und kirchlichen Kontext darüber geredet habe. Auch wenn ich weiß, dass das bei uns im Bistum kein großes Problem ist, war da schon eine große Unsicherheit. Schließlich habe ich entschieden, offen mit meiner Sexualität umzugehen und mich an der Kampagne zu beteiligen.

Welche Reaktionen gab es nach Ihrem Mitwirken aus Ihrem Umfeld?

Das waren alles positive Reaktionen. Ich habe in der Woche, in der das Video veröffentlicht wurde, 70 Nachrichten über alle möglichen Kanäle bekommen – auch von Menschen, mit denen ich schon länger keinen Kontakt mehr hatte. Es haben sich sogar Leute gemeldet, die sonst gar nichts mit der Kirche zu tun haben und die sich auch mit der Thematik geschlechtliche und sexuelle Vielfalt nicht auskannten. Sie alle haben mich unterstützt.

»Out in Church« ist jetzt schon fast zwei Jahre her – was hat sich seither verändert? Hat in der Kirche ein Umdenken stattgefunden?

Die signifikanteste Veränderung ist die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Auch wenn die Grundordnung im Wortlaut teilweise noch immer einschränkend ist. Ich denke, dass es auch darüber hinaus einen kirchlichen Kulturwandel gab, was die geschlechtliche Vielfalt anbelangt. Mein Eindruck ist, dass es sehr viel normaler geworden ist, im katholischen Kontext über dieses Thema zu sprechen. Es hat zudem viele Einzelpersonen und Gemeinden dazu herausgefordert, sich der Diskussion zu stellen.

Fühlen Sie sich heute als queerer Mensch in der Kirche wohl?


Ja. Trotzdem gibt immer wieder Momente, in denen ich den Eindruck habe, nicht offen darüber sprechen zu können. Ich bin zum Beispiel aktuell mit einer nicht-binären Person zusammen und wenn ich das Gefühl habe, diese Tatsache könnte bei meinem Gesprächspartner nicht gut ankommen, dann lasse ich das Thema aus. Aber das kommt natürlich auf das Umfeld an und darauf, wie gut ich mein Gegenüber kenne. Mir ist das schon unangenehm, dass ich nicht dafür einstehen kann. Aber manchmal bin ich es auch einfach leid, an jeder Ecke wieder eine solche Diskussion führen zu müssen. [...]
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