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archivierte Ausgabe 51/2023
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Elternhaus |
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PFLEGE DER ELTERN |
Zwischen Pflichtgefühl und Überforderung |
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Wenn die Mama plötzlich im Rollstuhl sitzt, kann die unbeschwerte Kindheit schnell vorbei sein. Der Familienalltag muss ja trotzdem weitergehen. Doch das müssen die Kinder nicht allein machen. Foto: RgStudio/iStock |
Unbeschwert soll Kindheit sein. Und wenn es doch mal Sorgen gibt, sind die Eltern da, um zu unterstützen. Doch manchmal sind die Rollen vertauscht. Fast eine halbe Million Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind in Deutschland laut einer Studie der Universität Witten/Herdecke in die Pflege enger Angehöriger eingebunden. Oft müssen sie sich um ein Elternteil kümmern. Sie unterstützen im Alltag, übernehmen die Hausarbeit, begleiten zu Arztbesuchen, wechseln Windeln und Verbände, leisten emotionale Unterstützung, umsorgen die jüngeren Geschwister.
Erst im Rückblick ist mir klar geworden, wie groß die Belastung war«, erzählt Julika Stich. Die Lübeckerin hat das Netzwerk »Young Helping Hands« gegründet, als Anlaufstelle für pflegende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – weil sie selbst mit Pflegeverantwortung groß geworden ist und Aufklärungsarbeit leisten möchte, damit Kinder in vergleichbarer Situation mehr Unterstützung bekommen.
Stich war zwei Jahre alt, als ihre Mutter an Multipler Sklerose erkrankte. Schon mit sieben Jahren half sie bei der Pflege. Ging einkaufen, unterstützte ihre Mutter beim Wechsel vom einen in den anderen Rollstuhl. Je weniger sich die Mutter bewegen konnte, umso mehr Hilfe war notwendig. Die Tochter fütterte, kämmte, leerte den Katheter. 17 Jahre lang war sie in die Pflege eingebunden, während der Schulzeit, während der Ausbildung zur Erzieherin, während des Studiums. Bis zum Tod ihrer Mutter mit erst 51 Jahren. Die Überforderung äußerte sich irgendwann körperlich, in Atemnot, Panikattacken und einer Depression.
Oft wachsen Kinder wie selbstverständlich in eine Pflegesituation hinein. Was ihnen das tatsächlich abverlangt, nehmen sie gar nicht wahr – und ihr Umfeld ebenfalls nicht. Obwohl oft Menschen bei ihnen zu Besuch gewesen seien, habe niemand so recht die Situation überblickt, erinnert sich Julika Stich.
»Mit einer chronischen Erkrankung in der Familie aufzuwachsen und mit dem einhergehenden Hilfe- und Pflegebedarf eines Angehörigen konfrontiert zu werden, kann zum Alltag von Kindern und Jugendlichen dazugehören«, konstatiert die Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing von der Universität Witten/Herdecke. Sie erforscht die Situation junger Pflegender. »Nachteilige Auswirkungen auf Kinder werden sich jedoch häufen, sobald Ressourcen schwinden und die Pflege des erkrankten Angehörigen die Verbundenheit der Familie im Alltag dominiert«, schreibt sie im »Pflege-Report 2022«, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK herausgegeben wird.
Die meisten jungen Pflegenden sprechen nicht über ihre Situation, aus Scham, aus Angst, das Jugendamt könnte eingreifen, aus dem Gefühl heraus, dass sie ohnehin niemand versteht. Dabei können die Auswirkungen gravierend sein: Pflegearbeit, Verantwortung und Sorge nehmen viel Raum im Alltag ein, die eigenen Bedürfnisse geraten dabei schnell in Vergessenheit. Es bleibt kaum Zeit für Freunde, für die Schule, für Hobbys. [...]
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