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archivierte Ausgabe 10/2023
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FRANZISKUS VERSTEHEN (1) Die Frage nach Strukturreformen |
Wie soll sich die Kirche erneuern? |
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Das Aschenkreuz als Zeichen der persönlichen Umkehr. Papst Franziskus setzt bei der kirchlichen Erneuerung auf einen Prozess der inneren und spirituellen Umkehr statt auf Reformen der Institution Kirche. Foto: KNA |
Mit »Evangelii gaudium« stellt Papst Franziskus bereits bei seinem Amtsantritt klar, dass er keine Strukturreform verfolgt. In seiner ersten Enzyklika beschreibt er vielmehr seinen Traum einer spirituellen und pastoralen Erneuerung der Kirche. Die Textgestalt des Lehrschreibens lässt an dieser Ausrichtung keinerlei Zweifel aufkommen: Von 288 Abschnitten sind gerade einmal sieben dem hierarchischen Aufbau der Kirche gewidmet (Ziff er 27–33).
Diese Abschnitte stehen unter der Überschrift »Eine unaufschiebbare kirchliche Erneuerung«. Nacheinander widmet er sich den Pfarrgemeinden, Basisgemeinden, christlichen Gemeinschaften und Teilkirchen, bevor er sich dem Bischof und seiner besonderen Verantwortung für die Evangelisierung zuwendet und dabei auch seine eigene Rolle als Bischof von Rom und Oberhaupt der Kirche zum Thema macht. Die Bereitschaft zum Hören arbeitet er als die Haltung heraus, die aus seiner Sicht für die Wahrnehmung der Leitungsgewalt eine ganz zentrale Rolle spielt.
Über den Bischof sagt Franziskus: »In seiner Aufgabe, ein dynamisches, offenes und missionarisches Miteinander zu fördern, wird er die Reifung der vom Kodex des Kanonischen Rechts vorgesehenen Mitspracheregelungen sowie anderer Formen des pastoralen Dialogs anregen und suchen, in dem Wunsch, alle anzuhören und nicht nur einige, die ihm Komplimente machen. Doch das Ziel dieser Prozesse der Beteiligung soll nicht vornehmlich die kirchliche Organisation sein, sondern der missionarische Traum, alle zu erreichen.« (31)
Die Organisation der Kirche hat für Franziskus keine Priorität. Er spricht ausführlich von den Fehlhaltungen der Menschen in der Kirche, mangelhafte Strukturen oder gar Fehler im systemischen Aufbau der Kirche kommen bei ihm nicht vor. So stellt er im Hinblick auf die Priesterweihe kategorisch fest: »Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht (…).« (104) Wenn es dazu Diskussionsbedarf geben sollte, liefert aus seiner Sicht die Belehrung über den Unterschied Macht und Vollmacht eine hinreichende Erklärung. Eine tiefergehende Auseinandersetzung hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche ist damit ausgeschlossen.
Noch bemerkenswerter als diese äußerst knappe Befassung mit der Exklusivität von Amt und Weihe ist die Feststellung, dass Franziskus das Thema »Missbrauch« zwar als soziales Problem der Großstädte identifiziert (75), es aber als Thema der Kirche ausblendet. Es wird nicht explizit erwähnt, sondern nur indirekt umschrieben: »Unser Schmerz und unsere Scham wegen der Sünden einiger Glieder der Kirche und wegen unserer eigenen Sünden dürfen nicht vergessen lassen, wie viele Christen ihr Leben aus Liebe hingeben.« (76)
Bevor Franziskus auf die »Versuchungen der in der Seelsorge Tätigen« eingeht, würdigt er ausführlich das aufopferungsvolle soziale und karitative Engagement von Menschen in der Kirche. Mit warmen Worten erklärt er, wie wertvoll und ermutigend für ihn persönlich dieser Dienst ist. Das unsägliche Leid, das mit dem sexuellen und spirituellen Missbrauch von Kindern, Frauen und Männern durch Kleriker und Laien verbunden ist, geht in diesem Wortschwall unter. Was ein systemisches Versagen der ganzen Kirche ist, wird theologisch als »Sünde« einiger weniger relativiert. Über viele Seiten lässt sich Franziskus über defizitäre Grundhaltungen des pastoralen Personals aus, aber der Missbrauch ist ihm nicht eine einzige Ziffer wert. [...]
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