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archivierte Ausgabe 26/2023
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JÜDISCHE FRAUEN SUCHEN GOTT (3) Simone Weil |
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»Etwas das stärker war als ich selbst, zwang mich, mich zum ersten Mal in meinem Leben auf die Knie zu werfen«, beschrieb Simone Weil ihre mystische Erfahrung in einer Kapelle bei Assisi. Der Institution Kirche traute sie jedoch nicht. Foto: KNA |
Am 30. August 1943 wurde in Ashford/Kent eine Frau beerdigt, die nur 34 Jahre alt war. Der Priester, der die Beerdigung vornehmen sollte, kam nicht. Er hatte den Zug verpasst. Die neun Anwesenden beteten ohne ihn. Das Grab der Verstorbenen lag zwischen katholischem und jüdischem Friedhofsteil. Dieses »Zwischen« kennzeichnet sie: Simone Weil, gebürtige Jüdin, Agnostikerin in jungen Jahren, wandte sie sich später dem Katholizismus zu, lehnte jedoch die Kirche als Institution ab.
Simone Weil wurde am 3. Februar 1909 in Paris geboren. Ihre Eltern waren Freidenker.
Simone übernahm deren areligiöse, liberale Einstellung. Sie studierte Philosophie bei Émile Chartier, Alain genannt. Alain übte nachhaltigen Einfluss auf sie aus. Er war Pazifist und überzeugter Demokrat. Manches, was er sagte, hätte von ihr selbst stammen können: »Man muss jeder Macht widerstehen« oder: »Ich sage, dass man jegliche Macht reduzieren muss, wenn man Frieden will.« Auch die Macht der Kirche wurde von Alain kritisiert. Simone Weil machte sie sich zu eigen.
Schon während der Studienzeit las sie neben klassischen Philosophen wie Plato, Descartes, Kant auch Karl Marx. Sie war an der sozialen Frage interessiert, beteiligte sich an Demonstrationen, setzte sich für die Rechte der Arbeiter ein und verfasste politische Schriften. Nach dem Examen ging Simone Weil in den Schuldienst, unterrichtete Philosophie an Gymnasien, häufig unterbrochen durch Krankheiten und Arbeitsaufenthalte in Fabriken.
Sie pflegte Kontakte zu Kommunisten und revolutionären Gewerkschaftlern. Dazu sagte sie: »Ich habe immer eine gesellschaftliche Veränderung zugunsten der Benachteiligten gewünscht, aber ich hatte niemals eine Neigung für die kommunistische Partei.« Die körperliche Arbeit spielte für sie, die überwiegend geistig arbeitete, eine große Rolle. Dadurch fand sie Kontakt mit der Realität des Alltags. Außerdem wollte sie das Los der Arbeiter kennenlernen.
Gegen Jahresende 1933 brachte sie den russischen Revolutionär Leo Trotzki, den Stalins Geheimpolizei verfolgte, bei ihren Eltern unter. Sie war aber anderer Meinung als Trotzki. So war Russland für sie kein wirklicher Arbeiterstaat. Dem widersprach selbstverständlich Trotzki. Als in Spanien der Bürgerkrieg ausbrach, nahm Simone Weil sich vor, auf Seiten der Republikaner gegen die Faschisten zu kämpfen. Ihren Aufenthalt in Spanien musste sie aufgrund einer Brandverletzung frühzeitig abbrechen. Bald erfuhr sie, dass die republikanischen Kämpfer Gräueltaten an wehrlosen Zivilisten verübten. Nun lehnte sie den Bürgerkrieg ganz ab.
Auch die Idee der sozialistischen Revolution wurde von ihr verworfen. Zunächst bedeutete das für sie Orientierungslosigkeit. Für was sollte sie jetzt kämpfen? Es waren »Berührungen mit dem Katholizismus«, welche ihr halfen, die Krise zu überwinden. Schon vor dem spanischen Bürgerkrieg 1935, erlebte sie in einem portugiesischem Fischerdorf eine Lichterprozession von Frauen, die in ihr die Gewissheit weckten, dass das Christentum die Religion der Sklaven ist. 1937 verbrachte sie zwei Tage in Assisi. In der Kapelle von Santa Maria degli Angeli »zwang mich«, wie sie schrieb, »etwas, das stärker war als ich selbst, mich zum ersten Mal in meinem Leben auf die Knie zu werfen.« [...]
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