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Hoffnungsort
VON DER BLÜTE ZUR REIFE (3) Grenzen ziehen und respektieren

Vom Geben und Nehmen

Vom Geben und Nehmen
Neinsagen ist erlaubt, wenn die Erwartungen anderer die eigenen Möglichkeiten übersteigen. Gerade innerhalb der Familie ist das oft schwierig, doch der eigene innere Friede sollte nicht geopfert werden.
Foto: fizkes/iStock
Schaue ich aus dem Fenster, erblicke ich eine Straße sowie Häuser und Gärten. Zäune und Hecken schirmen die Grundstücke ab, Türen und Fenster samt Jalousien schützen die Hausbewohner vor ungewollten Einblicken oder unerwünschten Gästen. Gemüsebeete werden vor Fressfeinden aller Art geschützt und der Eingang zu unserem Vogelfutterhäuschen ist so eng, dass Tauben, Elstern und Krähen keinen Zutritt haben. Mit anderen Worten: Grenzen, wohin das Auge schaut – und alle haben die Funktion, Schutz und Orientierung zu bieten.

Machen wir uns diese Bedeutung von Grenzen klar, so liegt nahe, dass sie auch in unseren menschlichen Beziehungen unentbehrlich sind. Würde man Kleinkindern keine Grenzen ziehen – etwa, indem man sie daran hindert, auf ein Balkongeländer zu klettern oder am tiefen Wasser zu spielen –, würden viele die Kinderzeit nicht überleben. Doch nicht nur Kinder können die Folgen ihres Handelns für sich und andere meist nicht überblicken, auch Erwachsene sind damit oft überfordert. Erst recht können sich die meisten Menschen nur schwer vorstellen, was das Alter an körperlichen, geistigen und seelischen Veränderungen mit sich bringt, bis sie selbst davon betroffen sind.

Kein Wunder, dass es in allen Kulturen und Religionen auch Gebote gibt, die besonders den Schutz der Älteren zum Ziel haben. Wobei Gebote nichts anderes sind als Versuche, das Verhalten der Menschen so zu lenken, dass die Würde sowie die Rechte anderer Menschen respektiert und gewahrt werden. Dabei gilt: Je näher uns jemand steht, desto wichtiger ist es, sich gegenseitig »nicht ins Gehege zu kommen«. Denn gerade nahestehende Menschen sind schnell auch vereinnahmend oder überfordern uns mit ihren Erwartungen.

»Ich bin gerade in einer finanziellen Klemme, könnt ihr mir vorzeitig etwas von meinem Erbe ausbezahlen?« – mit dieser Frage überraschte ein junger Mann seine Eltern, beide noch nicht lange im Ruhestand. Wer hier sofort nachgibt, macht ein Fass auf, das sich unter Umständen bald als »Fass ohne Boden« entpuppt. Deshalb verstand ich die Entscheidung der Eltern, die Bitte nicht rundweg abzuschlagen, doch dem Sohn lediglich ein Darlehen zu gewähren.

Ein anderes Beispiel: »Ich mache in den nächsten zwei Jahren eine Ausbildung, könnt ihr bitte in dieser Zeit meine Tochter in den Kindergarten bringen?«, fragte eine Frau ihre Schwiegereltern. Es war für die beiden nicht leicht, der Schwiegertochter zu sagen: »Das machen wir gerne, wenn wir nicht verreist und gesund sind und auch sonst nichts vorhaben. Da dies aber öfter der Fall sein wird, musst du eine weitere Betreuungsperson organisieren!« [...]
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