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archivierte Ausgabe 38/2024
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ERLÖSUNG (1) Sühne- und Opfergedanke |
»Verschuldet, was du getragen hast« |
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Der liebende Blick Jesu auf den Menschen ist das entscheidende: Gott muss nicht versöhnt werden, er hat uns mit sich versöhnt. Sühne ist nicht die Voraussetzung für menschliche Erlösung und die Gabe göttlichen Heils. Foto: KNA |
Wie konnte der Sühne- und Opfergedanke im Unterschied zur Reich-Gottes-Verkündigung Jesu in der Kirche so dominant werden? Warum bildete sich in der Theologie eine detaillierte Lehre von der Erlösung aus, nicht aber in vergleichbarer Weise eine Lehre vom göttlichen Heil? Mit ursächlich hierfür ist wohl, dass die nachösterliche Verkündigung die Worte des historischen Jesus nicht einfach wiederholte, sondern seinen gewaltsamen Tod miteinbezog: Sie wollte begründen, dass der Jude Jesus aus Nazaret trotz seines augenscheinlichen Scheiterns am Kreuz dennoch göttlicher Herkunft war.
Infolgedessen wird aus der Verkündigung Jesu eine Verkündigung über Jesus als dem Christus; aus dem »Evangelium vom Reich« (Mt 24,14) wird das »Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes« (Mk 1,1), das wesentlich von Paulus ausgearbeitet und zum Evangelium der Kirche wurde. Paulus entfaltete »sein Evangelium« (Röm 2,16) ausgehend von Kreuz und Auferstehung; am Leben des historischen Jesus, an seiner Heilsbotschaft hatte er kein ausgeprägtes Interesse. Für ihn ist der Gekreuzigte und Auferweckte so entscheidend, dass er nichts Anderes verkünden möchte als das »Wort vom Kreuz« (1 Kor 1,18). Die Verkündigung des Paulus ist auf weiten Strecken eine theologische Lehre von der durch den gekreuzigten Christus erfolgten Erlösung von den Sünden.
Jesus aber thematisierte nicht sich und sein Todesgeschick, er kündigte das Kommen des Gottesreiches an. Die nachösterliche Akzentverschiebung hatte Konsequenzen. In der kirchlichen Verkündigung dominierte fortan ein kreuzfixiertes Erlösungsverständnis. Obgleich religionsgeschichtlich sowohl Menschenopfer (Lev 18,21) als auch Tieropfer (Jes 1,11–15) längst überholt waren, wird aus dem verkündigenden Jesus der für die Sünde der Welt geopferte Christus. Damit verbindet sich die Frage nach der Gottheit und Menschheit Jesu.
Über solche theologische Lehrfragen stritt die frühe Kirche unerbittlich. Der Antike waren dagegen aufgrund ihres weithin undogmatischen Religionsverständnisses derart schonungslos ausgetragene Glaubensstreitigkeiten bis dahin fremd. Die Lehrstreitigkeiten fanden gar Niederschlag im Credo – »wahrer Gott und wahrer Mensch« –, während Jesu Botschaft dort mit keinem Wort erwähnt wird. Zugespitzt formuliert: Aus Jesu Wahrheit der vorbehaltlosen Nähe Gottes wurde die Wahrheit eines Lehrsystems. [...]
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