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Hoffnungsort
WAS ERWARTET UNS IM »JENSEITS«? (3): ENDLICH GERECHTIGKEIT

Wenn sich Opfer und Henker die Hände reichen

Wenn sich Opfer und Henker die Hände reichen
Die Revolution des Christlichen: Das Opfer, der Hingerichtete selbst, hat das letzte Wort. Der gekreuzigte Auferstandene allein ist der Richter. Sein erstes und sein letztes Wort sind gleichermaßen gerecht und voller Erbarmen, denn er spricht aus ureigenster Erfahrung. Angesichts dieser letzten Instanz klärt sich alles.
Foto: KNA
Was ist mit den hingemordeten Mitmenschen, die Islamisten brutal einer religiös verbrämten Ideologie geopfert haben? Wo sind all die im Mittelmeer ertrunkenen Opfer von Not und Gewalt? Warum muss eine 35-jährige Mutter an Krebs sterben und hinterlässt vier Kinder und einen traurigen Mann? Warum so viele anscheinend abgebrochene Lebensgeschichten? Solche Fragen nach Gerechtigkeit erwachsen aus – wortwörtlich – himmelschreiendem Elend. Schon früh ist so die Vorstellung von einem gött lichen Gericht entstanden. In den Gräbern und Tempeln Alt-Ägyptens, etwa im Grab von Tutanchamun, kann man die ergreifenden Bilder vom Totengericht meditieren: Der Verstorbene steht vor dem Totengott Osiris und muss Rechenschaft ablegen; Maat, die Göttin der Gerechtigkeit, kommt oft mit ihrer Waage hinzu, und das Herz des Verstorbenen wird auf gute und schlechte Taten hin abgewogen.

Auch die uralten Vorstellungen vom Drachenkampf, vom Kampf der guten göttlichen Kräfte gegen die bösen, ist Ausdruck dieser Sehnsucht, dass es für alle doch gut werden möge, für die Opfer freilich anders als für die Täter und Täterinnen. Die Menschheitsgeschichte ist aber auch voll von Versuchen, dass Menschen Gericht halten über Mitmenschen: Die Entstehung der Rechtssprechung ist nur so zu erklären, und gute Gesetze sind wenigstens ein Notbehelf. Aber selbst der IS in seinem Wahn meint offensichtlich, im Namen Gottes Gerechtigkeit dadurch herzustellen, indem er alle »Ungläubigen« vernichtet. Die einen hoffen auf eine göttliche Gerechtigkeit, die anderen spielen selbst Gott auf Erden und glauben sich im Recht, indem sie andere vertreiben oder ausmerzen.

Vor diesem Hintergrund gewinnt das christliche Glaubensbekenntnis eine ungemein befreiende Bedeutung: »Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten« – niemand sonst. Das bedeutet zuerst einmal: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet« (Mt 7,1); hört endlich auf, euch und andere »fertig« zu machen. Dass wir uns auf Gottes Richtspruch verlassen können, ist also eine ungeheure Entlastung unserer eigenen Neigung, Herrgott zu spielen und andere abzustrafen oder hochzujubeln. [...]
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