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ADVENTSGEDANKEN (4) Nacht- und Traumgeschichten

Mehr als das, was sichtbar ist

Mehr als das, was sichtbar ist
Die Sprache der Träume sagt: Es mehr gibt als das, was vor Augen steht. Jesu Geschichte kennt die Trostlosigkeit der Niederlage, aber auch die Gnade der Rettung – eine Geschichte der Hoffnung in dunkler Zeit.
Foto: cottonbro/pexels
Die Geschichten von seiner Geburt sind Nachtgeschichten. Im Licht des Tages sieht man manches nicht so klar wie im schwachen Glanz der Nacht. Das Noch-Verborgene zeigt sich eher im Schutz des Dunkels, lugt an den Grenzen des Bewusstseins hervor, schiebt sich in die Lücke zwischen Tag und Traum. Tastende Schritte tragen dann eher ans Ziel als das weite Ausgreifen der Tagesgewissheit.

Im tiefen Dunkel der Nacht sehen die Hirten die Engel des Himmels und hören ihren Jubelgesang. Sein Vater hört den Engel in seinen Träumen, und er erinnert sich noch im Wachen an dessen Worte, und weil er ein Mensch ist, der weiß, dass sehr Wesentliches uns nur in der Sprache der Träume zugänglich ist, lässt er seinen Traumengel den Takt der Geschichte angeben, richtet sich nach dessen Schrittfolgen und nimmt die Traumworte so für wahr, dass er ihnen auch in unerwartete Wendungen hinein folgt.

Er besteht nicht auf den Rechten und Privilegien, die sein Geschlecht ihm verschafft, zweifelt nicht an der Redlichkeit seiner Frau, hält weder Hirten noch Magier von seinem Kind fern, und als der Engel im Traum ihn warnt vor der drohenden Gefahr, da rettet er sich mit seiner Familie nach Ägypten. Gerade als sie dort richtig Fuß gefasst hatten, ließ er sich von seinem Traumengel überzeugen, wieder zurückzuziehen, zurück wie Mose mit dem Volk und dann weiter in das Bergland Galiläas.

So erzählen es die Seinen später, und sie erzählen ihn damit in die kollektive Geschichte hinein: Wie das ganze Volk sich nach Ägypten rettete vor dem Hunger im Land, und wie das ganze Volk wieder zurück in die Freiheit zog, so auch er. Wie Josef, der Sohn Jakobs, der Urenkel Abrahams, empfänglich war für die Sprache der Träume und wusste, dass sie wichtige Einsichten mit sich bringen können, so träumte auch sein Vater Josef von Gefahr, von Rettung und Freiheit.

Wie Mose hatte er ein feines Gehör für die Stimme Gottes, spräche sie auch aus Dornbüschen oder aus einer leuchtenden Wolke. Wie Mose und Mirjam mit dem Volk das Meer durchquerten, so ließ er sich von Johannes in das Wasser des Jordan rufen und tauchte daraus wieder auf, in die Freiheit der Gotteskindschaft hinein. Wie Mose, so war auch er in diesen Geschichten von Machtmännern, kindermordenden Blutmännern bedroht, wie Mose wuchs er trotzdem in Sicherheit auf, die er aufmerksamen und mutigen Menschen verdankte, Menschen, die sich von seinem Anblick anrühren ließen und die Blutmänner nicht fürchteten. Wie Mose lernte er, auf die Stimme Gottes zu hören, und wie Mose würde er vom Berg aus zu den Menschen darüber sprechen, zu welchem Leben, zu welcher Freiheit sie von Gott her eingeladen sind. [...]
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