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Theologie heute

Die wissenschaftliche Theologie leidet seit Jahren unter Nachwuchsmangel. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für ein Studium, aktuell auch wegen der geringen Reformbereitschaft der Kirche, sodass manchen Fakultäten wegen der geringen Absolventenzahl die Schließung droht. In einem Vierteljahrhundert hat sich die Zahl derjenigen, die ein theologisches Vollstudium anstreben, auf rund 2500 halbiert. Angehende Pädagogen halten zwar die Theologen-Zahl hoch, doch auch diese Werte werden zurückgehen. Uns haben fünf Männer und Frauen erzählt, warum sie sich sehr bewusst für ein Studium der katholischen Theologie entschieden haben und was sie daran reizt.

Geschiebe und Gedränge vor den Hörsälen, jeder versucht noch einen Platz zu ergattern, um die nächsten zwei Stunden nicht auf der Treppe sitzend verbringen zu müssen. Solche Szenen, wie sie sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren abgespielt haben, gehören schon längst der Vergangenheit an. Damals waren es junge Professoren wie Hans Küng, Joseph Ratzinger, aber auch Karl Rahner, die mit ihrer Art, Theologie zu treiben, zu regelrechten Stars ihrer Zunft avancierten. Das Interesse war so groß, dass auch Studenten aus anderen Fachbereichen hören wollten, was die Theologie zu sagen hatte.

Damals, während und nach dem Zeiten Vatikanischen Konzil, hatte die Theologie sehr viel zum gesellschaftlichen Leben beizutragen – doch ist das immer noch so? Viele Menschen verknüpfen das Fach sehr eng mit der Institution Kirche. Das ist zwar nicht grundlegend falsch, greift aber zu kurz. In Lehre und Forschung setzt sich die Theologie an Universitäten und Hochschulen kritisch mit einer oder mehreren Religionen auseinander. Gewissermaßen ist sie die mit wissenschaftlichen Mitteln betriebene Selbstreflexion eines bestimmten Glaubens und sucht dabei immer mehr den Austausch mit anderen Fachrichtungen.

Mit bloßem Bibellesen und dem Auswendiglernen von Dogmen hat das Studium also nichts zu tun. Die Theologie beinhaltet vielmehr zahlreiche unterschiedliche Disziplinen. Neben den Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch, setzen sich die Studierenden in zehn Semestern auch mit der Kirchengeschichte, der Philosophie und den grundlegenden Fragen nach der Bedingung der Möglichkeit des Glaubens auseinander. Außerdem lernen sie die pädagogische Vermittlung von religiösen Inhalten sowie das Kirchenrecht kennen.

Das Vorurteil, die Theologie sei ein angestaubtes Fach, auf das eine Hochschule inzwischen gut und gerne verzichten könnte, zeigt, wie sehr das Fach unterschätzt wird. Während der Pandemie haben wahrscheinlich die meisten Menschen zum ersten Mal erfahren, dass Deutschland einen Ethikrat hat. Auch hier sind einige Theologen als Experten auf dem Gebiet des moralischen und ethischen Handelns vertreten. Dies bezieht sich nicht nur auf religiöse Normen, vielmehr setzt sich die philosophische und moralische Ethik mit allen Bereichen des menschlichen Lebens auseinander, was wohl keine andere Disziplin im wissenschaftlichen Kanon leisten kann. Das Studium bietet also einen Rundumschlag; es beleuchtet sowohl die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen als auch existenzielle Fragen der Daseinsbewältigung und die Entwicklung von durchdachten Gotteskonzepten.

Die wörtliche Übersetzung des griechischen Begriffs »Theologie« bedeutet so viel wie »Lehre« oder »Rede von Gott«. Dabei sollte und kann sie aber nicht stehen bleiben, denn jede Rede von Gott ist gleichzeitig eine Rede vom Menschen. Daher steht nicht nur Gott, sondern immer auch der Mensch mit all seinen Bedürfnissen, Ängsten und Hoffnungen im Mittelpunkt der Theologie.

Zu überfüllten Hörsälen wird es sehr wahrscheinlich nicht mehr reichen – dennoch bleibt das Studienfach mit seiner großen Bandbreite ein Gewinn für jede Hochschule und erst recht für die Gesellschaft.

Julian Klödy




»Reflektieren und hinterfragen«

Theresa Heinz»Ob kirchlich verwurzelt oder nicht, ob im sogenannten Vollstudium oder kombiniert mit anderen Fächern; wer katholische Theologie studiert, hat vielversprechende Chancen auf dem Arbeitsmarkt: als Lehrer, im pastoralen Dienst und nicht zuletzt auch ganz woanders in Gesellschaft, Kirche oder Wirtschaft, etwa in Verbänden, politischen Institutionen, der Bildungsarbeit oder im Journalismus, um nur einige zu nennen.

Doch egal, wo die Studierenden später einmal Fuß fassen: Das Theologiestudium mit seinen vielfältigen Disziplinen und Methoden ermöglicht ihnen einen vertieften, fundierten Blick auf »Gott und die Welt«. Es geht um die Frage nach Gott und damit um unsere Religion und deren Auswirkungen im weitesten Sinne. Theologie befasst sich wissenschaftlich mit den Konsequenzen dieses Glaubens für die einzelnen Menschen, für ihr Zusammenleben in der modernen Welt und für moralische oder politische Entscheidungen.

Sie fragt, wie dieser Glaube zeitgemäß weitergegeben und angemessen gefeiert werden kann. Natürlich reflektiert und hinterfragt sie auch die Kirche in ihrem Selbstverständnis, ihrer Praxis und ihren Strukturen. Und sie gestaltet – insbesondere bei uns an der Universität Tübingen – den Dialog mit anderen Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen.

Wer sich auf die Theologie einlässt, stellt sich also den großen Gottes-, Lebens- und Gesellschaftsfragen der Gegenwart, aus unterschiedlichen Perspektiven im Wissen um Erfahrungen der Vergangenheit. Theologen sind gut gerüstet für die Zukunft, wohin auch immer ihre persönlichen oder beruflichen Wege sie führen.«

Theresa Heinz, Studienfachberatung Uni Tübingen



»Furchtbar spannende Fragen«

Thomas Buchschuster»Theologie zu studieren war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Mich interessieren ganz unterschiedliche Dinge und die Theologie führte mich in viele verschiedene Fachgebiete: Der Sprachwissenschaftler in mir hatte große Freude an der wissenschaftlichen Auslegung von Altem und Neuem Testament und an den dafür nötigen Sprachen Griechisch und Hebräisch. Der Historiker in mir begeisterte sich für das Studium der Kirchengeschichte. Der Philosoph, der Ethiker, der Politologe in mir waren Feuer und Flamme für die Fächer Philosophie und theologische Ethik, für Fundamentaltheologie und Dogmatik. Der Jurist in mir liebte das Kirchenrechtsstudium. Und auch der Pädagoge und der Soziologe in mir kamen in Religionspädagogik und Praktischer Theologie auf ihre Kosten.

Wer breit aufgestellte Interessen besitzt, wer einen Blick auf das große Ganze werfen möchte, darauf, »was die Welt im Innersten zusammenhält « und was Gott, Kirche und Glaube damit zu tun haben könnten, der oder die ist im Theologiestudium nach wie vor bestens aufgehoben.

Ich selbst habe die Theologie zu meinem Beruf gemacht. Ich forsche und lehre in der theologischen Ethik. Die Fragen, die meine Arbeit prägen, lauten: Was macht moralisch gutes Handeln aus? Wie hängen moralisch gutes Handeln und ein gutes, glückliches, erfülltes Leben zusammen? Finden wir in den moralischen Traditionen der Bibel und den kirchlichen Überlieferung vielleicht etwas, das über die nicht-christlichen Überlegungen hinausgeht? Ich finde diese Fragen furchtbar spannend. Und da wir immer handeln werden und stets nach einem guten Leben streben, werden sie auch immer aktuell sein. Das Theologiestudium bietet den Raum, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.«

Thomas Buchschuster, Doktorand an der Uni Tübingen



»Mein Glaube ist tiefer geworden«

Elisa Saile»Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern Menschen. Und die Menschen verändern die Welt.« Dieses Zitat von Albert Schweizer habe ich auf einem Flyer zum Umgang mit Feindschaft und Leid gelesen. Über den eigenen Glauben habe ich einen Zugang gefunden, mich diesen Themen anzunähern. Dazu muss ich mich aber mit meinem Glauben und meiner Religion beschäftigen.

Genau das war meine Motivation, katholische Theologie zu studieren. Ich wollte mich tiefer mit der katholischen Theologie auseinandersetzen, Hintergründe verstehen und darüber in den Austausch kommen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Disziplinen innerhalb eines Theologiestudiums und die Möglichkeiten zum interreligiösen Gespräch sind dafür ein guter Ort. Mit dem Fortschreiten des Studiums stelle ich fest, dass ich immer sprachfähiger werde und mein Glaube dabei tiefer wird.

Eben diese Erfahrung wünsche ich auch meinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern. Der Religionsunterricht ist viel mehr als reine Wissensvermittlung. Er bietet Raum für existenzielle Fragen und Sorgen und holt die Heranwachsenden in ihrer Lebenswelt ab. Es werden Anreize geschaffen, damit die jungen Menschen ihren Glauben weiterentwickeln können. So können wir vermeiden, dass sie sich vom Glauben abwenden, weil sie ihren Kinderglauben im Jugendalter nicht mehr als anschlussfähig empfinden.

Ich weiß, dass ich als Lehrerin dabei nur begleiten kann, wenn ich selbst ein breites theologisches Wissen habe, mich mit meiner Religion identifizieren kann und Interesse am Gespräch mit den Heranwachsenden habe. Auf diese Weise kann dann die Sprachfähigkeit der Schülerinnen und Schüler nachhaltig gefördert werden und ein tiefer Glaube wachsen.«

Elisa Saile, Lehramtsstudentin an der Uni Tübingen



»Ich habe mir meinen Jugendwunsch erfüllt«

Willi-Klaus Nawrath»In meinem ersten Studium Anfang der 1960er- Jahre habe ich Germanistik, Anglistik und Philosophie in Tübingen und England studiert, mit dem Staatsexamen abgeschlossen und anschließend 40 Jahre als Lehrer gearbeitet. In den letzten 16 Jahren meines Berufslebens habe ich als Oberstudiendirektor ein Gymnasium in Filderstadt geleitet.

Nach Beendigung meiner Berufslaufbahn war mir die noch verbleibende Lebenszeit zu wertvoll, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen, und ich entschloss mich auf Anregung meines Gemeindepfarrers zur persönlichen Bereicherung zu einem ordentlichen Studium der Theologie. Damals noch mit der Hoffnung, dass sich etwas in der Frage der »Viri probati« bewegen könnte. Mit dem Theologiestudium habe ich mir einen Jugendwunsch erfüllt. Leider hatte mich damals nach dem Abitur die Zölibatspflicht abgeschreckt, meinen Berufswunsch zu realisieren.

Der Rückgang der Studierendenzahlen ist meines Erachtens auf das frostige und gleichgültige Klima in der Kirche allgemein zurückzuführen, sowohl der Hirten, als auch der Herde – das erzeugt keine produktive Neugier mehr.

Dennoch kann ich jungen Menschen, die eine innere Verantwortung für ihre Mitmenschen spüren, nur Mut zusprechen, mit dem Fundament eines theologischen Wissens durch ein Studium ethisch tragende christlich orientierte Werte an die nächste Generation weiterzugeben.

Es bedarf junger Leute, die mit Expertenwissen der Gleichgültigkeit gegenüber spirituellen Fragen unserer Zeit begegnen. Eine solide Theologie und ein daraus resultierendes Engagement braucht unsere Zeit zur Bewältigung der religiösen Belanglosigkeit.«

Willi-Klaus Nawrath, Oberstudiendirektor a. D., Filderstadt-Plattenhardt



»Überforderung und Faszination«

Fran Schmid»Vor wenigen Wochen habe ich in einer Kirchengemeinde in Gießen meine Ausbildung zur evangelischen Pfarrerin begonnen. Hätte ich das gedacht, als ich mit frischen 18 Jahren zum Studium der katholischen Theologie nach Tübingen aufbrach? Sicher nicht.

Der Gedanke, katholische Theologie zu studieren, lag mir nach dem Abitur gar nicht so nah. Ich plante Germanistik zu studieren, um Lehrerin zu werden. Die Universität verlangte ein zweites Fach von mir, das sich durch ein simples Ausschlussverfahren ergab: Naturwissenschaften? Zu mathematisch. Sprachen? Zu viele Vokabeln. Religionsunterricht war immer spannend gewesen und einfach ebenfalls – was sollte da schief gehen? Während ich mich im ersten Semester im Mittelhochdeutsch- Seminar langweilte, wurde es im Kant-Seminar recht kompliziert, die Bibel auf Hebräisch und Griechisch sollte ich lesen lernen und mir eine eigene Meinung zu theologischen Fragen bilden. Ich war überfordert – und fasziniert!

So wurde es das Theologiestudium. Nach der zweiten Hälfte meines Studiums im sonnigen Freiburg studierte ich acht Monate in Jerusalem – eine mir sehr wertvolle Zeit, in der ich viel über Judentum, Islam und Christentum und über die politische Situation in Israel und Palästina gelernt habe. Ich erlebte auch die großartigsten Naturphänomene: 80 Kilometer Wanderung durch die Wüste und schnorcheln an Korallenriffen im Roten Meer.

Da hatte ich mich aufgrund der Strukturen in der katholischen Kirche, die Frauen und queere Menschen diskriminieren, schon für die evangelische Kirche entschieden. Die evangelische Landeskirche in Hessen und Nassau öffnete mir den Weg ins Pfarramt. Hier bin ich nun. Und würde es wieder machen.«

Fran Schmid, Vikarin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
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